Zum Jahresende: Die Moral der Geschichte – von Dr. Peter Boskamp…
Über die natürliche Arbeitsweise mit Tauben ist schon viel, u.a. auch von mir, geschrieben worden. Zum Glück nimmt die Einsicht immer mehr zu, daß wir besser damit aufhören können, Tauben mit Medikamenten „vollzustopfen“. Diese Erkenntnis sollten wir aber auch nicht in’s Gegenteil umkehren. Medikamente können, vorausgesetzt sie werden mit Umsicht und Vernunft verabreicht, viele Probleme während der Flugsaison verhindern. Aber für viele stellt sich die Frage, welche Medikamente sie verabreichen sollen.
Taubensport ist ein schönes Hobby. Bei Enttäuschungen und Rückschlagen sind wir aber viel zu schnell geneigt, Hilfe im Medizinschrank zu suchen. Dies ist nicht unbedingt verkehrt, wir sollten aber über gute Mittel verfügen. Das ist der springende Punkt. Ich bin jetzt seit vielen Jahren dabei. Oft habe ich festgestellt, daß ein Mittel, das vom „Hören-Sagen“ bei diesem oder jenem gut geholfen hat, deswegen auch bei den eigenen Tauben verwendet wurde. Leider oft ohne das gewünschte Resultat. Wenn die Not hoch und der Wunsch nach Preisen stark genug ist, wird auch jenes Mittel benutzt, das beim anderen Taubenliebhaber doch auch geholfen hat. Wenn dann nach vielem Hin und Her doch der Gang zum Tierarzt gewählt wird, ist die Infektion schon soweit fortgeschritten, daß nicht nur die Atemwege angetastet sind, sondern auch die Basisabwehr der Tauben einen heftigen Rückschlag erlitten hat. Wenn dann auch das Rezept des Tierarztes nicht schnell hilft, ist das Vorurteil wieder mal bestätigt: auch die Tierärzte haben keine Ahnung. Natürlich läuft es nicht immer so ab – zum Glück nicht. Es gibt viele Taubenliebhaber, die sehr gut wissen, was sie tun. Für diese Taubenliebhaber schreibe ich jahrein, jahraus Rundbriefe, in der Hoffnung, selbst, und mit unserer Klinik, einen guten Beitrag an dieses schöne Hobby zu liefern. Wie oben schon beschrieben, nimmt die Einsicht, daß die natürliche Arbeitsweise die Basisgesundheit von Tauben verbessert, zu. Was aber ist eigentlich diese natürliche Arbeitsweise? In allererster Linie bedeutet es, gutes Futter zu verabreichen. Das erscheint erstmal logisch. Wenn wir der Regel „eine Taube kann alles aus ihrem Futter holen“ Glauben schenken wollen, müssen wir uns daran halten. Gutes Futter ist also für die Basis wesentlich. Damit können wir viele Rundbriefe füllen und dann gibt es wahrscheinlich noch viele offene Fragen. In diesem Rundbrief gehe ich davon aus, gutes Futter zu verwenden. Soll das bedeuten, daß damit alles gesagt ist? Daß die Leistungen dann doch von selber folgen? Taubensport ist meiner Meinung nach Topsport. Und heutzutage leben wir bezüglich des humanen Topsports nicht mehr in der Zeit der früheren Jahre. Die Tauben haben sich verändert und die Unterschiede zwischen Tauben sind nicht mehr so groß als vor Jahren. Die Flugzeiten stehen, mit Ausnahmen, nicht mehr offen. Es kommt jetzt auf kleinere Dinge an.
Kleine Dinge?
Ja, ein kleiner Mangel genügt, um an den Preisen vorbeizufliegen. Es ist kurzzeitig gedacht, immer wieder und immer öfter nach Medikamenten zu greifen, um die kleinen Mängel aufzuheben. Sicherlich werden die Leistungen in einigen Fällen wiederkommen. Vielleicht nicht so gut wie erhofft, aber immerhin. Wenn wir es hierbei lassen, immer guter Hoffnung bleiben und auf das Wunder der Medizin vertrauen, kann es passieren, daß wir ein blaues Wunder erleben. Nichts gelingt mehr, nichts geht mehr. „Die Medikamente wirken nicht (mehr)“ oder „Haben Sie nicht was Stärkeres“ sind dann häufige Hilferufe in der Praxis. Es kann aber eine ganze Zeit lang dauern, bevor das Blatt sich wendet. Wenn ich meine Erfahrungen der letzten zwanzig Jahre zusam- menzähle, gibt es doch ein festes Muster. „Ja, ja“ höre ich einige von Ihnen jetzt laut den- ken, „dieser und jener spielt doch schon seit Jahren auf diese Art an der Spitze?“ Bestimmt, aber ich denke, daß es genau da einen Unterschied gibt. Denn wie oft höre ich nicht Bemerkungen, daß dieser oder jener doch „mogeln“ muß, denn das gibt’s doch nicht, wie der spielt. Viele „dieser oder jener“ kenne ich zufällig relativ gut und ich weiß, daß gerade sie nicht „mogeln“. Ich weiß, daß sie ein „Händchen“ dafür haben und ihre Tauben kennen. Sie sehen, daß etwas nicht stimmt oder wissen, wenn etwas im Anzug ist und handeln präventiv. Sie handeln nicht erst, wenn das „Haus schon in Brand steht“. Auch diese Liebhaber benutzen Medikamente. Aber ihr Medikamenteneinsatz ist genügend vorbeugend und versucht dem Ausbrechen von Krankheiten zuvor zu sein. Wie könnte es anders sein, daß verschiedene gut spielende Liebhaber nur einen Atemwegmix gebrauchen, wie Puder 18 oder Puder 26? Sie tun dies schon jahrelang, ohne daß die Leistungen zurück gehen. Sie müssen nicht nach allerlei anderen Medikamenten greifen. Sie machen es sich einfach. Aber sie tun doch etwas extra. Dieses Extra bedeutet präventives Handeln, mit dem Ziel, die Abwehr der Tauben so hoch wie möglich zu ent- wickeln, d.h. für Regelmaß und gutes Futter sor- gen, so daß keine Mängel entstehen können. Mängel können fatal sein.
Die Kette ist so stark wie ihr schwächstes Glied
Diese Aussprache gilt sicher auch für den Taubensport. Wir können noch soviel Gutes geben. Wenn ein Mangel auftritt oder ein relativer Mangel an essentiellen Nahrungsstoffen, Vitaminen, Mineralen, Spurenelementen oder anderem, dann entstehen im „Gebäude Abwehr“ Risse. Dann können Bakterien und Virusse, Protozoen und/oder Würmer oder Chlamidia schädliche Wirkung ausüben. Sie können alle anwesend sein, ohne, daß das Tier nennenswerte Beschwerden hat. Und gerade dann ist das Bedürfnis nach bestimmten Vitaminen und Spurenelementen höher, da der Körper sich in der Alarmphase befindet. Wenn dies während der Flugsaison passiert, in der sowieso schon ein bestimmter Streß für die Tiere auftritt (Witwentum, kleine Jungen, die Flüge und so weiter) können diese Infektionen ihre schädliche Wirkung viel stärker entwickeln und die Abwehr der Tauben weiter in Gefahr bringen. Das Verabreichen eines Medikaments kann dann sehr notwendig sein, ist aber unzureichend, wenn es hierbei bleibt. Schon seit Jahren fügen wir einigen unserer Medikamente Vitamine und Spurenelemente zu. Natürlich nicht zum Spaß! Medikamente sind immerhin auch Stoffe, die der Körper wieder abbauen muß. Es sind Stoffe, die der Körper nicht will, die aufgeräumt werden müssen. Zum Abbau dieser oft komplizierten chemischen Substanzen sind extra Baustoffe notwendig. Wenn also nur Medikamente verabreicht werden, wird wohl die Infektion bekämpft, der Körper aber bekommt kaum die Chance, zu Kräften zu kommen. Immerhin war die Infektion schon durch mangelnde Abwehr entstanden. Die mangelnde Abwehr wiederum kam durch einen Mangel an wichtigen Baustoffen zustande. Der Kreislauf ist geschlossen. Durch die mangelnden Reserven, die, als keine extra Maßnahmen genommen wurden, geblieben sind, können diese und andere Infektionen zurückkommen und beginnt alles wieder von vorne. Oft aber um einige Grade schlimmer. Erst wenn Tauben ausruhen können, können sie nach einer Medizinkur ohne extra Maßnahmen wieder gesund werden. Nur… haben wir Zeit, den Programm-Flugtauben diese Ruhe zu gönnen? Bei den Langstrecken-tauben klappt das noch, aber für die ist der Streßfaktor und Infektionsdruck eh etwas weniger. Bei den Programm-Tauben ist es vernünftig, die notwendig gewordene Medikamentengabe mit extra Maßnahmen zu kombinieren.
Präventiv Handeln
Besser ist eine Vorgehensweise, die die Abwehr der Tauben auf einem solchen Niveau hält, daß das Risiko einer Infektion so klein wie möglich ist, und abwehrschwächende Mängel nicht autreten. Also: präventiv handeln. Das beginnt schon beim Paaren. Man sollte dafür sorgen, daß Tauben genügend Abwehr haben, wenn sie legen müssen. So verhindert man, die Tauben schon sehr früh mit einem hohen Infektionsdruck zu belasteten. Und das bedeutet eben nicht, Tauben mit Medikamenten vollzustopfen. Tauben müssen nämlich mit allerlei Krankheiten in Berührung kommen, um ihre Abwehr spielenderweise aufbauen zu können. Alles was es an „zuviel“ gibt, ist nicht gut. Wenn die Jungen einem zu hohen Infektionsdruck ausgesetzt sind, wird ihr Reaktionsvermögen zuviel gefordert, was zur Folge hat, daß sie weniger gut auswachsen und das Abwehrsystem sich schlechter entwickelt. Kurz und gut, es entwickeln sich Junge, die für allerlei Infektionen, wie den uns allen bekannten „Adenocoli-Komplex“, anfälliger sind. Und so reagiert man wieder mit Notmaßnahmen und der Kreislauf schließt sich wieder.
Ist die Adenocoli-Ansteckung dann vorbei, folgen schon Probleme der Atemwege. Die Reserven haben wieder einen Rückschlag erlitten. Die Leistungen sind enttäuschend und wir sind wieder am Anfang der Geschichte angekommen. Deswegen empfehle ich eben präventives natürliches Handeln. In den letzten Jahren habe ich mich intensiv mit den Möglichkeiten der Abwehrstärkung beschäftigt und der daraus folgenden möglichst beschränkten Medikamentengabe. Wir haben in der Klinik einige Produkte entwickelt, die bei vielen Taubenliebhabern das gewünschte Resultat erzielt haben. Nämlich eine stärkere Abwehr der Tauben. Es ist nicht so, daß eine bes- sere Abwehr gleich für mehr Preise sorgt, aber die Basis dafür ist geschaffen. Von da aus kann man dann am Aufbau der „Form“ arbeiten. Und wie wir alle wissen, kann eine Taube mit Form gute Preise fliegen.
Was ist die Moral dieser Geschichte?
1. Sorgen Sie schon bei der Zucht für genügend Abwehr der Tauben, so daß die Jungen einen besseren Start machen.
2. Beschränken Sie den Einsatz von Medikamenten auf notwendige und strategische Momente.
3. Sorgen Sie dafür, daß die Reserven nach Medikamentengabe wieder aufgebessert werden können.
4. Unterstützen Sie die Tauben so gut wie möglich im Aufbau eines optimalen Abwehrsystems.
5. Sorgen sie während der Flugsaison für Regelmäßigkeit und arbeiten Sie nach einem festen Schema.
6. Versuchen Sie, Streß, so gut wie es geht, zu vermeiden.
7. Sorgen Sie dafür, daß die Tauben, evtl mit extra Unterstützung, an der Form arbeiten können.
8. Genießen sie die gewonnenen Preise, auf die sie gewartet haben
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